Nachdem für viele Menschen die Arbeit im Home-Office zur Normalität geworden ist, wird in letzter Zeit zunehmend über eine Rückkehr ins Büro diskutiert. Bereits vor über einem Jahr setzte bei großen Unternehmen in den USA die „Return to office“-Bewegung ein. Sie haben die Hoffnung, so die Effektivität und Produktivität der Beschäftigten zu steigern. Mittlerweile fordern auch in Deutschland Unternehmen wie SAP, Volkswagen oder die Deutsche Bank wieder mehr Präsenz von ihren Mitarbeitenden. Aber ist das tatsächlich sinnvoll?
Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior und Mitautor der Konstanzer Home- Office-Studie , betont, wie tief der vermeintliche Zusammenhang zwischen Präsenz und Produktivität in der deutschen Arbeitskultur verankert ist: Wer beruflich aufsteigen wollte, musste in der Vergangenheit in der Regel mit vielen Überstunden und einer damit verbundenen hohen Präsenzzeit am Arbeitsort sein Engagement beweisen. Diese Denkweise prägt noch immer viele deutsche Führungsebenen. Wenn die Mitarbeitenden nicht im Büro, sondern zu Hause arbeiten, befürchten sie einen Kontrollverlust. Über 30 % der insgesamt 476 Befragten mit Führungsverantwortung äußerten bei der Erhebung im April 2024 die Befürchtung, Remote Work führe zu ineffizienteren Prozessen. Sie sprechen sich für eine stärkere Präsenzpflicht im Unternehmen aus. Ist die damit verbundene Hoffnung berechtigt, so die Produktivität der Mitarbeitenden zu steigern?
Mehr Präsenz steigert nicht die Produktivität
Eine Studie der University of Pittsburgh mit über 500 amerikanischen Unternehmen liefert keine Hinweise darauf, dass Betriebe, die eine Präsenzpflicht einführten, ihre Performance steigern konnten. Mark Ma, Home-Office-Forscher und Mitautor der Studie, bekräftigt, dass Menschen sehr produktiv von zu Hause aus arbeiten könnten. Das haben die Erfahrungen während der Corona-Pandemie gezeigt. Die Aufforderung, wieder im Büro zu arbeiten, führe eher zu einem Einbruch der Arbeitsmoral. Mitarbeitende nehmen sie als Zeichen mangelnden Vertrauens von Seiten der Unternehmensführung wahr. Auch eine im Juni 2024 veröffentlichte chinesische Studie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Produktivität und dem Anteil der Arbeitszeit im Home-Office feststellen.
Mitarbeitende sind im Home-Office zufriedener
Deutlich erkennbar ist jedoch der Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, und der Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Während laut der Konstanzer Studie fast 40 % der Beschäftigten mit Präsenzpflicht unter Belastungs- und Erschöpfungssymptomen leiden, sind es bei denjenigen ohne Präsenzpflicht nur etwa 20 %. Erklärungen für die gefühlt größere Belastung gibt es viele. Der Arbeitsweg ist für viele Menschen mit einem großen Zeitaufwand und Anstrengung verbunden. Auch die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist bei einem hybriden Arbeitsmodell eher gegeben. Klimaschutzüberlegungen spielen ebenfalls eine Rolle. Durch den wegfallenden Arbeitsweg und eine Reduzierung der Büroflächen können CO2-Emissionen eingespart werden.
Zusammenarbeit im virtuellen Büro beendet die Isolation im Home-Office
Es ist also nicht überraschend, dass nur 9 % der Befragten der Konstanzer Studie ausschließlich im Büro arbeiten wollen. Die überwiegende Mehrheit bevorzugt ein hybrides Arbeitsmodell oder den Alltag im Home-Office. Dieser geht allerdings bei vielen Befragten mit der Angst vor mangelndem sozialem Austausch und fehlendem kreativem Teamwork einher. Eine moderne Unternehmenskultur, die eine virtuelle Zusammenarbeit ermöglicht und stärkt, kann Abhilfe schaffen. Die Einrichtung eines virtuellen Büros, das von allen Beschäftigten zu den üblichen Arbeitszeiten wie ein physisches Büro als Arbeits- und Begegnungsstätte genutzt wird, ermöglicht Kolleg:innen, den Arbeitsalltag gemeinsam zu verbringen. Unabhängig von ihrem Arbeitsort können sie im intensiven Austausch bleiben und zusammen produktiv an Projekten arbeiten. So entsteht auch in der räumlichen Distanz ein Teamgefühl, das vielen Beschäftigten fehlt, solange die Arbeit im Home-Office den Ausschluss vom Büroalltag bedeutet.
Fachkräfte und Politik fordern flexible Arbeitsmodelle
Angesichts der aktuellen Studienlage sollten Unternehmen gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sehr genau überlegen, ob sie eine Präsenzpflicht einführen wollen. Viele Bewerber:innen setzen mittlerweile hybride Arbeitsmodelle voraus. Für jeden vierten Beschäftigten stellt die fehlende Möglichkeit, orts- und zeitflexibel zu arbeiten, einen potentiellen Kündigungsgrund dar. Abgesehen davon plant die Bundesregierung einen Rechtsanspruch auf Home-Office. Unternehmen sollten also lieber heute als morgen eine Arbeitsumgebung schaffen, in der ihre Mitarbeitenden unabhängig vom physischen Arbeitsort effektiv und produktiv auch im Home-Office zusammenarbeiten können.